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Stiftskirche Cappenberg: Interkulturelle Vielfalt und Moriskentanz

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Chorraum der Stiftskirche mit dem spätgotischen Chorgestühl

Die ursprünglich romanische Stiftskirche St. Johannes Evangelist in Cappenberg mit Erweiterungen aus Gotik, Barock und  Renaissance ist nicht nur ein herausragendes Bauwerk in Westfalen, sondern hat auch Ungewöhnliches in der Ausstattung zu bieten.
Vgl. Reiseführer des Prämonstatenserordens: Cappenberg >>>
Besonders berühmt ist der sog. Barbarossakopf, vermutlich ein Reliquiar, das um 1155 angefertigt wurde .
Kopie des Testaments von Bischof Otto von Bamberg (gest. 1139)
und der sog Barbarossakopf


Auch das spätgotische Chorgestühl der Stiftskirche ist ein hervorragendes Meisterwerk.
Mehr zum Chorgestühl  (DeWiki) >>>
Im Rahmen geradezu üppiger Schnitzereien sind jedoch keineswegs nur Heiligenfiguren und fromme Szenen zu sehen, sondern auch "weltlich" Heiteres
und gar ein bisschen Frivoles, sog. Drolerien
Diese sind manchmal geradezu Karikaturen menschlichen Verhaltens.
Solche Drolerien sind in vielen gotischen Kirchen zu finden, übrigens auch im Kölner Dom: 

Die Drolerien der Chorschrankenmalereien

Fabelwesen, Minnesang und Machomann (Domradio Köln, 06.09.2019)
Dass bei solchen grotesken Überzeichnungen auch  interkulturelle Bezüge ans Licht treten, beweist in besonderer Weise ein Beispiel aus den oberen Rahmungen des Cappenberger Chorgestühls.


<<< Seitenwange des Chorgestühls mit Heiligenszenen
Links: Der Rückenkratzer, rechts ein Beter mit Kind

Dort befindet sich nämlich auch ein Moriskentänzer.
Diese Figur hat mit einer 
Unter den Drolerien des Chorgestühls:
 ein Moriskentänzer


im Spätmittelalter und in der Renaissance aufkommende Mode zu tun. Was hat es damit auf sich?

"Der Moriskentanz (italienisch moresca, aus spanisch morisca) ist ein Bühnentanz des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, dessen Verbreitung sich bis ins 15. Jahrhundert innerhalb der höfischen Renaissancekultur zurückverfolgen lässt. Über seine theater-, tanz- und musikhistorische Bedeutung hinaus ist der Moriskentanz jedoch auch von volkskundlichem Interesse. Das Wort Moriske, auch moriscos genannt (spanisch morisco ‚maurisch‘) leitet sich von der Bezeichnung für die Mauren ab, die nach dem Sieg der Reconquista in Spanien lebten. Die lange Zeit geltende These, der Moriskentanz sei nordafrikanischen Ursprungs und im 12. Jahrhundert aus dem Kampf zwischen Mauren und Christen in Spanien entstanden, um sich von dort aus über ganz Süd- und Westeuropa zu verbreiten, lässt sich heute jedoch durch Ergebnisse aus der deutschsprachigen Forschung widerlegen. Vielmehr wird angenommen, dass der Ursprung des Moriskentanzes in archaischen Fruchtbarkeitsriten begründet liegt"
(wikipedia_ Moriskentanz.)

> Rolf FRITZ: Ein westfälischer Moriskentanz.
In: Gerd Dethlefs [Hg.]: Das Cappenberger Chorgestühl (1509-1520):
Die Ausstattung der Stiftskirche S. Johannes Ev. in Selm-Cappenberg
.
Gütersloh 2009, 225-232

Weiteres:  "Die Iberische Halbinsel und Morisken">>>

Kopie eines Moriskentänzers von Erasmus Grasser 
im 
Alten Rathaus in München.
Das Original befindet sich im 
Münchner Stadtmuseum
(wikipedia).

Bedeutende Skulpturen von Moriskentänzern befinden sich im Münchener Stadtmuseum,
das (noch) folgende Erklärung bietet:

"Die im Jahr 1480 von Erasmus Grasser geschnitzten Moriskentänzer zählen zum kostbarsten Besitz des Münchner Stadtmuseums. Der Name der Figuren bezieht sich auf ursprünglich wohl maurische Springtänze, die später auch an den großen Höfen aufgeführt wurden."




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